
Am nächsten Morgen beginne ich exzessiv zu googeln. Es hilgt. Durch Google und ChatGPT finde ich heraus, dass er wohl ein Delir hat. Das Wort hat vorher niemand in den Mund genommen, doch die Beschreibung trifft es genau. Ich forsche direkt, was man machen kann.
Man soll den Patienten immer wieder durch äußere Reize motivieren, ins Hier und Jetzt zu kommen. Ich beginne, ihn zu aktivieren – mit Musik, massieren, Sachen, die er fühlen kann. Er soll das Gefühl bekommen, dass die Welt da draußen es wert ist, wach zu sein. Ich kämpfe und kämpfe, verabreiche ihm noch mehr Quetschis, da ich das Gefühl habe, aus meiner vor der OP fast abgestillten Brust kommt eh nicht mehr genug. Milchflasche will er leider nicht.
Ich setze mich mit ihm vor sein Motorikbrett. Sitzen ist übertrieben – er hängt auf mir. Ich nehme seine Hände und führe sie immer wieder an die Sachen und mache Geräusche damit. Und dann plötzlich geht bei ihm das Licht an. Er macht die Augen auf, er spielt, er krabbelt und ist für zehn Minuten der Alte, ehe er wieder weg ist. So geht es über den ganzen Tag. Immer wieder aktiviere ich ihn, immer kommt er mal zu und ist dann wieder weg.
Der nächste Schock
Am nächsten Tag ist er schon mehr da als weg. Nur nach dem Schlafen dauert es bis zu einer Stunde, ehe er mal richtig wach wird. Jetzt können wir uns endlich auch sein Auge richtig ansehen. Es ist total eingeblutet, die Iris ist kaum zu erkennen. Wir beschließen, noch abends im Krankenhaus anzurufen, und man bestellt uns direkt ein. Also fahren wir abends um 19 Uhr mit gepackten Koffern Richtung Mainz.
Mit den Kräften am Ende
Die letzten Tage waren so anstrengend, dass wir komplett auf dem Zahnfleisch laufen. Erst die OP, dann Tage der Sorge, in denen wir ihn rund um die Uhr nur tragen mussten, und die große Schwester völlig außer sich war.
Ein weiteres Problem war, dass der Kleine vom Delir Richtung Erkältung läuff. In Mainz angekommen, kämpfen wir um 21 Uhr in der Notaufnahme, ihn irgendwie so wach zu bekommen, dass man ihn untersuchen kann. Seit dem Delir war das mit dem Wachwerden ja so eine Sache.
Wir schaffen es schließlich mit Stillen, Snacks und Tut-Tut-Autos. Der Augenarzt hat gute Sicht auf seine Augen. Er vermutet, dass schon am nächsten Tag eine kleine OP (Vorderkammerspülung) unter Narkose gemacht werden muss. Er fragt uns, ob wir noch mal nach Hause fahren und um acht am nächsten Tag wiederkommen wollen oder ob wir direkt stationär bleiben wollen.
Wieder nach Hause
Wir zögern nicht lang. Der kleine schreit schon wieder vor Müdigkeit. Ich sehe die nächsten Stunden vor mir 1-2 Stunden bis wir mit dem schreienden Baby endlich in der Kinderklinik ein Zimmer haben. Dort Stress mit Zimmernachbarn weil wir mitten in der Nacht kommen. Die ganze Nacht keinen Schlaf, weil man in dieser Klinik ja eh nie schläft, und wenn dann morgen die OP ist folgen ja bestimmt nochmal 1-2 Nächte hier. Nein, wir fahren nach Hause!
Um 23:30 fallen wir in unser Bett. Der kleien ist im Auto eingeschlafen und wir schaffen es ihn umzulegen. Die Nacht über werden wir, wie immer, ständig von unserem natürlich nicht durchschlafenden Baby geweckt – circa alle 90 Minuten. Punkt sechs stehen wir wie Zombies auf.