Wieso machen sie so einen Stress mit diesem Hörtest? Wenn er etwas hat, dann mit den Augen.
Denke ich mir, während ich meinen zwei Tage alten Sohn im Arm halte. Seine riesigen blauen Augen starren umher. Die Kinderkrankenschwester macht den fünften erfolglosen Hörtest mit meinem Sohn. Beunruhigt bin ich nicht. Dieses Kind hört mehr als gut. Wenn ein Hubschrauber über das Nachbarkrankenhaus fliegt, hört er auf zu stillen – obwohl die Fenster zu sind. Wenn irgendwo auf der Station jemand klingelt, hört er auf zu stillen…
Er hört mehr als ich. Doch irgendwie guckt er anders. Oder? Ach, was, ich rede mir das nur ein. Schließlich gucken zwei Tage alte Babys im Allgemeinen nicht wirklich.
Komisches Gefühl
Die U2 im Krankenhaus läuft gut. Die Ärztin leuchtet in die Augen, wie bei jedem anderen Baby, und murmelt: „Das ist schon mal gut.“ Ich weiß nicht wieso, aber bis heute klingt der Satz in meinem Kopf nach. Wieso schon mal gut? Irgendwas habe ich gespürt.
Es vergehen Tage und Wochen. Mein Baby ist, wie mein erstes, oft am Schreien, sehr unruhig und möchte am liebsten auf meinem Arm oder an meiner Brust wohnen. Ein Baby halt, das insgesamt immer noch weniger schreit als Baby Nr. 1. Was natürlich auch an unseren tollen neuen Gadgets liegen könnte: Federwippe, Rausche-Koala, Kinderwagen-Wackler.
Alles ok?
Die U3 ist soweit unauffällig. Einzig sein Bilirubin ist etwas erhöht, aber das ist kein Grund zur Sorge. Doch ich merke, irgendwas stimmt nicht mit meinem Baby. Es ist so anders als mein erstes. Mein erstes strahlte mich ab der sechsten Woche an. Es wollte Bespaßung, sobald es die Augen aufhatte, und konnte nicht genug von Spielzeug, Abenteuern und Leben bekommen. Es war extrem fordernd und extrem anstrengend – keine Minute durfte ich mich von ihr wegbewegen. Bei meinem zweiten Baby warte ich jeden Tag vergeblich darauf, dass es mich anlacht. Was würde ich dafür geben, dass es mir in die Augen sieht und mich anlacht. Der Moment, in dem man für die harten ersten sechs Wochen entschädigt wird und in dem irgendwie alles besser wird.
Doch es passiert einfach nicht. Mein zweites Baby liegt in seiner Federwippe oder starrt Löcher in die Decke. Manchmal lacht es schon – vorzugsweise mit der Wickelkommode oder der Decke, nie mit mir, meinem Mann oder der großen Schwester. Wenn wir zusammen am Tisch sitzen, guckt es irgendwo hin. Aber gut, es ist ja auch noch klein, denke ich. Einfach ein anderer Charakter. Vermutlich mache ich mich total unnötig verrückt.
Immer erkältet
Die schlimmste Schreiphase vergeht, und ich stelle fest, dass Baby 2 eigentlich einfacher ist als Baby 1. Wären da nicht diese ständigen Erkältungen und diese ständig tränenden Augen. Aber gut, bei einer Erkältung können ja auch mal die Augen tränen… Über Tage vergesse ich meine innere Stimme, und dann wird sie wieder laut: Irgendetwas stimmt nicht! Doch dann beruhige ich mich selbst. Denn wie sagte ich mir schon in der Schwangerschaft immer: Wenn das zweite brav im Laufstall liegt und nicht ständig Programm fordert, werde ich denken, es ist behindert…