Ein Seminartag zum Thema Sprache in der Medizin und der Beratung bei dem viel hängen geblieben ist.

Gestern habe ich einen Seminartag zum Thema „Die Kraft des Wortes“ in der FH Vallendar besucht. Hier ging es, wie der Titel schon sagt, um die Kraft der Sprache. Im Vordergrund stand die Bedeutung der Sprache (und damit ist sowohl die verbale als auch die nonverbale gemeint) in der Medizin, insbesondere bei der Verkündung von schweren Prognosen wie z.B. der Geburt eines kranken Kindes.Die Referenten waren bunt gemischt.

Da mich das Thema, sehr interessiert und ich auch hier schon einmal dazu geschrieben habe, konnte ich mir die Vorträge natürlich nicht entgehen lassen.

„HWI kann Harnwegsinfektion aber auch Hinterwandinfarkt heißen…“

Los ging es mit Ärzten, die über die Sprache in der Medizin referierten. Leider habe ich hier nur den Schluss mitbekommen. Doch schon der war sehr eindrücklich. So stellte der Referent dar, wie verschlüsselt Arztbriefe geschrieben sind. Durch die vielen Abkürzungen werden die Betroffenen meist total außen vor gelassen.

Er legte eine Folie mit mehreren Abkürzungen auf, von denen selbst ich mit medizinischen Vorkenntnissen kaum eine entziffern konnte. Doch damit war ich nicht alleine, denn wie der Arzt erzählte sind selbst seinen Kollegen viele Kürzel gar nicht geläufig. Außerdem gibt es viele Kürzel mit mehreren Bedeutungen wie z.B. HWI das sowohl für Harnwegsinfekt als auch für Hinterwandinfarkt steht.

Er forderte unter anderem zu einer einfachen verständlicheren Sprache auf. Er schlug auch vor, dass der Patient von jedem Arztbrief eine Kopie erhalten solle, damit die Ärzte nicht in ihrer Parallelwelt fernab des Patienten leben.

„Ich gehe morgen nicht zum Arzt, ich werde morgen zum Arzt gehen!“

Danach kam eine Dozentin aus dem nicht medizinischen Bereich. Sie hat eine Ausbildung an einer Schule für bewusste Sprache gemacht und zeigte an Hand einiger Beispiele deutlich wie stark Wörter auf uns wirken. So gab sie viele praktische Tipps für den Alltag bei denen schon kleine Wortänderungen große Wirkung zeigen. Ein Beispiel:

„Versuchen Sie in den nächsten Tagen, dass Futur bewusst in deinen Alltag zu integrieren

„Morgen gehe ich zum Arzt.“ → „Morgen werde ich zum Arzt gehen“ “ 

Macht keinen Unterschied? Doch!

Wenn ich morgen zum Arzt gehen werde, habe ich vorher noch Zeit für mich. Ich befinde mich jetzt noch geistig im Hier und Jetzt. Es gibt keinen Grund sich um den Arzttermin der morgen kommen wird zu sorgen.

„Wenn ich deine Behinderung hätte, würde ich mich umbringen“

Nach einer kleinen Kaffepause kam Samuel Koch und erzählte aus seinem Leben. Er schilderte sehr eindrücklich wie die Sprache das Denken beeinflusst und das Sprache etwas sehr individuelles ist. Es fiel schnell auf, dass Samuel Koch einige Äußerungen die andere vielleicht aus der Bahn werfen würden positiv für sich genutzt hat. So hat ihn der Satz „Das geht nicht“ beispielsweise immer wieder angespornt, sich und allen Anderen das Gegenteil zu beweisen.

Er berichtete auch wie ihn ein Mitpatient, dessen Arme und Beine ebenfalls gelähmt waren, ansah und meinte „Wenn ich deine Behinderung hätte, würde ich mich umbringen.“ Im Gegensatz zu seinem Mitpatient lebt Samuel Koch heute noch.

Auf die Frage, was ihn motiviert hat immer weiter zu machen antwortete er unter anderem: Die Hoffnung. So hätten die Ärzte immer wieder den Fokus auf das positive gelegt und ihm Hoffnung gemacht, dass sich sein Zustand auch nach Jahren noch bessern kann.

Zum Schluss fand er sehr treffende Worte bezüglich des Wertes des Menschen der völlig unabhängig von der „Nützlichkeit des Menschen“ ist.

„Uns hat keiner zur Geburt gratuliert“

Es folgte eine Kinderärztin die ein Kind mit Down-Syndrom hat und viele andere Eltern beeinträchtigter Kinder zu ihren Erfahrungen bezüglich des Ärzte-Kontakts befragt hat. Der Vortrag war extrem bewegend, so dass ich mir die ein oder andere Träne verkneifen musste.

Mir war schon vorher klar, dass Ärzte nicht immer die sensibelsten Worte finden, doch was ich hier hörte wahren ganz neue Dimensionen. So schilderte sie unter anderem, dass fast keiner der Mutter zur Geburt ihres beeinträchtigen Kindes gratuliert wurde.

Was ist dass für ein Bild, dass die Ärzte hier vermitteln? Jedes Leben sollte doch gleich viel wert sein.

Sie berichtete auch, dass sowohl ihr, als auch den anderen Frauen in aufdringlicher Weise zur Fruchtwasseruntersuchung geraten wurde und ein „Nein“ erst nach wiederholten male akzeptiert wurde.

Naja hauptsache gesund.

Auch der Satz „Naja hauptsache gesund“ wurde hier thematisiert. Wie oft hat man diesen Satz schon gesagt und gehört ohne ihn zu hinterfragen. „Ja und wenn nicht gesund, was dann?“ fragte sie in die Runde und war auch selbst immer wieder den Tränen nah.

Sie habe damals mit ihrer Zimmernachbarin im Krankenhaus darüber nach gedacht was die stimmigere Aussage wäre und sich auf „Hauptsache geliebt“ geeinigt. Ein, wie ich finde, sehr treffendes Bild.

„Ich bin doch Arzt und kein Sprachwissenschaftler“

Zum Schluss gab es dann noch eine Podiumsdiskussion. Hier äußerte sich zunächst ein Arzt, der meinte er habe durch den heutigen Tag und insbesondere durch die Aussagen der Kinderärztin erst einmal gemerkt, wie auch er immer wieder mit Patienten umgehe.

Ihm seien bisher auch die Folgen gar nicht so klar gewesen, da es ihm noch nie einer gesagt hätte. Natürlich käme es vor, dass man neben einem Patient stehen würde und mit einem anderen Arzt über den Patient in Fachchinesisch reden würde, ohne den Patient überhaupt wahr zu nehmen. .

Verantwortlich für ein solches Verhalten machte er den großen Zeitdruck. Außerdem sei er ja kein Sprachwissenschaftler sondern Arzt. Er forderte dazu auf, dass die Patienten klar sagen sollten wenn ihnen etwas nicht passen würde.

Diese Worte lösten ambivalente Gefühle in mir aus. Auf der einen Seite war ich froh, dass der Tag zu dieser Selbsterkenntnis beigetragen hat und auf der anderen Seite war ich erschrocken wie viel Empathie im stressigen Ärztealltag verloren geht. 

Noch bevor das Publikum reagieren konnte, antworte die Kinderärztin darauf, dass beispielsweise Frauen in einem solch schwierigen Zustand nicht zu zumuten ist, dass sie sich auch noch damit auseinander setzen. Hinzu käme ja auch noch das Machtgefälle zwischen Arzt und Patient.

„Einfach mal lächeln“

Im Publikum gab es einige Anregungen, wie man auch ohne Studium der Sprachwissenschaften empathischer mit den Patienten umgehen könnte: Augenkontakt, sich namentlich vorstellen, dem Patienten zuhören, nach offenen Fragen fragen oder auch nur einfach mal lächeln!

Zum Schluss ging es dann noch um die Frage, wie man Eltern (oder anderen Betroffen) helfen kann, wenn sie eine schlimme Erfahrung (wie beispielsweise ein unempathisches Arztgespräch) hinter sich haben und die Worte immer wieder in ihrem Kopf nachklingen.

Der große Konsens war, dass man diesen Personen in erster Linie einmal zuhören sollte und verständnisvoll auf sie reagieren sollte und das damit schon viel gewonnen wäre. Ein Gast schlug auch vor, wenn man nicht mehr weiter wüsste, könnte man den Patient ja einfach mal fragen, was er brauche. 

Was im Coaching eine ganz natürliche Standard-Frage ist sehen die Ärzte als letzten Versuch in der Patientenkommunikation – sehr erschreckend.

Zusammen fassend war es ein sehr abwechslungsreicher und lehrreicher Tag, der auch mich mal wieder dazu angeregt hat über meine Worte noch intensiver nach zu denken.

Falls euch der Artikel gefallen hat freue ich mich darüber, wenn ihr ihn teilt oder einen Kommentar da lässt.

„Aber ich bin doch Arzt und kein Sprachwissenschaftler…“

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