Das anstrengendste Jahr unseres Lebens
Ich hätte nie gedacht, dass ein Jahr so viel verändern kann. Mit der Diagnose Glaukom bei unserem Baby begann eine Reise, auf die wir nicht vorbereitet waren. Dieser Blogbeitrag erzählt von einem Jahr zwischen Arztterminen, Ängsten, Hoffnung und der Erkenntnis, dass weniger Sehen nicht weniger Leben bedeutet.

Die Diagnose, die alles verändert hat
Angefangen hat alles mit der Diagnose Glaukom bei unserem kleinen Baby im Januar. Wir waren hin- und hergerissen. Froh, endlich eine Diagnose zu haben, und gleichzeitig den Kopf voller Fragen und Sorgen:
Vielleicht kann er nie den Führerschein machen? Welchen Beruf kann er später einmal ausüben? Wird er blind? Sollen wir ihm Brailleschrift beibringen? Wird er uns je anschauen können?
Enttäuschung, Angst, Wut, Sorge – ein emotionaler Cocktail, den wir irgendwie zwischen Arztterminen, High-Need-Baby, Kitakind und Alltag verkraften mussten. Als würde man ohne Schwimmreifen ins offene Meer gestoßen.
Ein Jahr später – der Stein ist leichter geworden
Nun ist ein Jahr vergangen. Und der riesige Stein von damals wiegt nur noch die Hälfte. Das Jahr war anstrengend, turbulent, fordernd – aber ich habe so unglaublich viel gelernt. Wieso um Himmels willen dachte ich, ein Kind, das weniger sieht, wäre ein weniger glückliches Kind? Bis jetzt hat sich das nicht bestätigt.
Dankbarkeit
Vieles hat sich in diesem Jahr zum Guten gewandelt. Er kann uns inzwischen sehen, er kann mit uns und seiner Umwelt über Sehen und Zeigen Kontakt aufnehmen. Er sieht geschätzt etwa 30 %.
Vor einem Jahr hätte ich gedacht, das ist furchtbar wenig. Heute merke ich, wie unfassbar viel das ist. Dass es im Alltag kaum auffällt, dass er nicht so gut sieht. Dass er sich bisher normal entwickelt, wenn auch etwas langsamer als seine Schwester. Dafür, dass wir vor einem Jahr mit einem fast blinden Kind in die Uniklinik gelaufen sind, sieht er jetzt so viel, wie wir es kaum für möglich gehalten hätten. Wenn jemand zu uns sagt: „Was, nur 30 %?!“, sagen wir: Wir sind dankbar für diese 30 %.
Auf und Ab
Glaukom ist immer eine Wundertüte, hatte man uns damals gesagt. Keine Versprechen, keine Prognosen – alles ist möglich. Nur eines ist klar: Gesunde Augen wird er nie haben.
Wir wissen nicht, wie lange er den Status noch halten kann, und auch damit muss man lernen zu leben. Ständige Ungewissheit.
Zwischendurch gab es in diesem Jahr immer wieder Rückschläge: Der Sehnerv ist stark geschädigt, die Augen wachsen immer mehr, der Druck ging erst nach drei OPs herunter. Dann Komplikationen bei der OP, wieder eine OP – Chaos, ein einziger Marathon.
Und dann wieder Erholung, Fortschritte: Die Brille wird akzeptiert, er erkennt Sachen aus der Ferne, er wird motorisch immer fitter.
Die Augenerkrankung als Achterbahnfahrt
Diese ganze Augenerkrankung hat sich in einem Jahr von einem Schwimmen im Meer ohne Rettungsreifen zu einer Achterbahnfahrt gewandelt, bei der ich und meine Familie nie gefragt wurden, ob wir gerne mitfahren würden.
Mal geht es bergauf, mal geht es bergab. Mal hält der Wagen kurz an, und man kann kurz verschnaufen, ehe es wieder losgeht.
