
In der Schleuse herrscht wie immer ein großer Menschenaufmarsch. Anästhesisten, Augenärzte, alle möglichen Menschen stellen sich uns vor. Schließlich betreten eine Chefanästhesistin und ein Chefanästhesist den Raum. Sie hören den Kleinen immer wieder ab, diskutieren und denken laut. Zum Glück ist der bereits im Haldol-Himmel und lässt brav alles über sich ergehen.
Schließlich wird noch die Chef-Augenärztin angerufen. Sie soll mit dem Anästhesisten-Team besprechen, ob die OP so notwendig ist, dass man sie trotz Risiko machen kann.
Lieber abwarten?
Kurz darauf betritt die Chef-Augenärztin den Raum. Sie schaut sich unseren Sohn an, fühlt seine Augen. „Der Druck ist gut“, sagt sie. Dass ich die Worte mal höre – bisher war der Druck ja immer spätestens eine Woche nach der Glaukom-OP wieder viel zu hoch. Also immerhin mal was Gutes.
„Also, wir können schon noch warten.“ Ich glaub, ich kipp um. Sollen wir jetzt mit dem schon benebelten Kind zurück in die Kinderklinik?
„Wie lange?“, fragen die Anästhesisten.
„Naja, so drei bis vier Tage… Ich weiß, es ist für Sie, Nerven aller Beteiligten, nicht so gut… aber Sie könnten ja in der Klinik bleiben, und Tag für Tag können wir dann entscheiden, ob er operationsbereit ist.“
Nein, das schaffe ich nicht, denke ich. Wie? Wie soll ich noch mehr schlaflose Nächte durchstehen? Tage, an denen wir noch nicht mal einen Termin hier hätten, sondern nur die Zeit absitzen?! Manchmal frage ich mich, ob das Netz am Balkon der Kinderklinik nicht eigentlich dafür gedacht ist, dass die Eltern keinen Selbstmord begehen – und nicht zum Schutz der Kinder.
„Können wir zwei Wochen warten?“, fragen die Anästhesisten.
„Nein, das auf keinen Fall!“, sagt die Augenärztin.
„Na dann ziehen wir durch, bevor es schlimmer wird!“, beschließen die Anästhesisten. Ich könnte ihnen die Füße küssen.
Die Augenärztin ist kurz irritiert: „Noch ist der Infekt fast nur in der Nase. Wenn der in drei Tagen in der Lunge hängt, haben wir nicht mehr so eine gute Ausgangslage.“ Tausend Steine fallen mir vom Herzen.
Aufs Schlimmste vorbereiten
Die Anästhesisten drehen sich zu mir und meinem Mann: „Sie sind es gewohnt, dass Ihr Kind im Aufwachraum liegt, wenn es wach ist. Vielleicht ist das diesmal nicht so. Vielleicht liegt es auf Intensiv. Das kann passieren. Eine Narkose ist ein Risiko für die Atemwege. Nicht erschrecken, wenn es passiert.“
Ach so, ja, nee, alle ganz entspannt, denke ich, während ich spüre, wie der letzte Nerv, den ich nach den letzten zwei Wochen noch habe, reißt.
„Ich sag mal so 90 zu 10. 90 % Aufwachraum, 10 % Intensiv.“
Wir geben unserem Sohn noch einen Kuss und verlassen die Schleuse.
