Zu Hause angekommen, kann ich nur noch an eine Sache denken: Wann kann ich wieder auf Klo? Und wann ist der Moment, an dem ich wieder in die Notaufnahme fahren sollte? Leide habe ich verpasst nach zu fragen, wie lange ich warten sollte und ab wann man pinkeln können sollte…
Zum Glück ist der Schwiegervater einer Freundin gelernter Gynäkologe. Ich rufe ihn verzweifelt an. Jetzt wo ich im Kreißsaal eh schon alle Hemmungen abgelegt habe, berichte ich dem wildfremden Mann am Telefon mein Leid. Er rät mir nach 6 Stunden ins Krankenhaus zu fahren. Außerdem nimmt er mir die Angst vor dem Dauerkatheter und ist Balsam für die Seele.
Zurück in der Notaufnahme
6 Stunden nach dem ersten Besuch in der Notaufnahme und keine 4 Tage nach der Entbindung, sitze bzw. stehe, sitzen klappt ja nicht, ich wieder in der Notaufnahme und bekomme einen Dauerkatheter. Noch bevor ich los gefahren bin, war ich kurz der Verzweiflung nahe: „Dann hab ich einen Pipi-Beutel wie eine alte Oma…“, sage ich zu meinem Mann. Als wäre der Körper nach so einer Geburt nicht so schon entstellt genug. „Liebst du mich dann immer noch?“. Mein Mann ist entsetzt über die Frage. Natürlich liebt er mich.
Mein Vater fährt mich also wieder in die Notaufnahme. Gott sei Dank sind meine Eltern hier und helfen uns so viel. Ich weiß nicht wie ich das ohne die ganze Unterstützung schaffen würde. Zum Glück fühle ich mich nach der brutalen Geburt immer noch so, als könnte ich sowieso alles schaffen und alles besiegen. Sobald die Angst vor dem Dauerkatheter aufkommt begebe ich mich geistig zurück in den Kreißsaal und denke, alles was kommt kann niemals so schmerzhaft sein, wie das was war.
So liege ich tiefenentspannt auf der Liege und plaudere mit der Assistenzärztin, die damit beschäftigt ist die nächsten 1,4 l Urin aus mir raus zu ziehen und den Dauerkatheter anzulegen. „Das sind alles keine Schmerzen. Nach dem Kreißsaal kann mich nichts mehr erschüttern.“ Die junge Frau sieht mich entsetzt an: „Na sie machen mir ja Mut für meine erste Geburt.“
Zu meiner großen Freude bekomme ich keinen Pipibeutel, sondern ein Ventil über das ich am Klo Urin ablassen kann. Das soll ich alle 2-3 Stunden machen, dadurch lernt die Blase wieder zu funktionieren. „Auslassversuch in 4-5 Tagen“, schreibt die Ärztin in den Bericht. Das bedeutet in 4-5 Tagen wird versucht den Katheter zu ziehen und wenn es gut läuft, klappt die Blase dann. Wenn nicht sitze ich eben wieder in der Notaufnahme.
Pinkeln wie ein Mann
Während ich liege schmerzt der Katheter kaum, sobald ich aufstehe schmerzt alles noch mehr als vorher. Ist ja auch kein Wunder wenn man in die völlig zugeschwollenen Geschlechtsorgane auch noch einen Schlauch reinschiebt, der da eigentlich nichts zu suchen hat.
Wieder zu Hause funktioniere ich irgendwie weiter. Ich stille das Baby und liege auf der Couch, alles andere macht mein Mann. Irgendwie bin ich froh, dass ich nun zumindest mal meinen Urin los werden kann und es hat ja auch was für sich. So stehe ich am Abend mit dem Katheter vor dem Klo und denke mir: „Endlich pinkeln wie ein Mann!“