Ich liege mit dickem Bauch in der viel zu tiefen Badewanne. Nachdem ich viele Wochen wegen dem zu kurzem Gebärmutterhals auf das genüssliches Baden im heißen Wasser verzichtet habe, genieße ich es nun richtig. Nach etwa einer halbe Stunde klopfe ich an die Wand zum Wohnzimmer. „Der Kran kommt!“, ruft mein Mann und kommt gut gelaunt ins Bad um mir beim Aussteigen aus der Wanne zu helfen. „Kran“ habe ich ihn vor einiger Zeit erstmals genannt und ich finde es wirklich passend. Denn er ist nicht nur körperlich mein Kran sondern auch seelisch.
Wenn ich hier liege und meine Schwangerschaftshormone mal wieder mit mir durchgehen und ich einfach jeden und alles hasse, kommt mein Kran und zieht mich aus dem Loch. Mal in dem er mir Schokolade bringt, mal in dem er sich von mir anschreien lässt und mal in dem er einfach nur für mich da ist. Ich bewundere ihn echt, denn so eine Schwangerschaft ist für einen Mann sicher auch nicht ganz einfach.
Die Raclette-Affaire
Der schlimmste Streit in der Schwangerschaft war wohl die „Raclette-Affaire“. Ich war etwa in der 10. Schwangerschaftswoche. Mir war rund um die Uhr übel und das Öffnen des Kühlschranks war nur noch mit zugehaltener Nase irgendwie möglich. Dazu waren es draußen an die 40 Grad und mein Kreislauf war im Keller. Ich habe nur versucht irgendwie, irgendetwas zu essen, um nicht komplett auszuhungern. Da ich weder den Geruch im Laden noch den Anblick von Tomaten ausgehalten habe, habe ich stets meinen Mann zum Einkaufen geschickt.
Gut gelaunt kommt er trotz trönender Hitze vom Supermarkt zurück und legt die Einkäufe in den Kühlschrank. Kurz darauf schleppe ich mich an den Kühlschrank, um mir einen Schluck Cola zu holen. Wohlwissend, dass mein Sodbrennen es hassen wird, doch vielleicht bekomme ich den Blutdruck ja so mal höher als 90/60. Ich öffne die Tür und mir kommt ein abscheulicher Gestank entgegen. Es muss eine Mischung aus Raclette-Käsegeruch und Knoblauch-Fleischwust-Geruch gewesen sein. In mir steigt die Kotze hoch und ich renne unmittelbar aus der Küche. Heulend liege ich auf der Couch. Mein Mann hat bestimmt seit einem dreiviertel Jahr weder Raclette-Käse noch Knoblauch-Wurst gegessen und ausgerechnet jetzt kauft er beides. Will er mich foltern?
Kein Verständnis für Schwangerschaftsprobleme . . .
Mein Mann hingegen kommt fröhlich rüber und fragt ob ich mit ihm Abendessen will, er habe sich so leckere Sachen gekauft. Ich weine und sehe ihn entsetzt an. „Wenn das so schlimm für dich ist, esse ich eben alleine drüben.“, er geht wieder in die Küche. Der Geruch des Käses zieht unter der Tür hindurch bis ins Wohnzimmer. Ich halte es kaum aus. Lüften ist auch schwer möglich, wenn es draußen 38 Grad sind. Also weine ich weiter vor mich hin. Nach ein paar Minuten kommt mein Mann zurück aus der Küche. Ich schreie ihn an und frage ihn wie er nur so herzlos sein kann. Er sagt, er habe doch jetzt extra in der Küche gegessen, und was mein Problem sei. Ich versuche ihm irgendwie das Leiden der Schwangeren mit Gerüchen zu schildern. Auch wenn man das vermutlich nur verstehen kann, wenn man selbst einmal schwanger war. Und da sind wir auch schon am springenden Punkt. Während der Kampf der Schwangeren vor allem der mit Hormonen und Schwangerschaftsbeschwerden ist, ist der Kampf des Vaters vermutlich der mit der Frau, die nicht mehr sie selbst ist. Nach ein paar Stunden traue ich mich wieder in die Küche, nur um direkt wieder raus zu rennen. Schließlich ziehe ich mir eine Corona-Maske an und nehme eine Flasche Parfum mit, das ich in der ganzen Küche verteile, nur um es dort irgendwie über drei Minuten auszuhalten.
Mein Mann, Helfer in allen Lebenslagen
Aber wieso berichte ich diese ganze Geschichte, wo ich doch eigentlich von meinem einfühlsamen Mann erzählen will? Sie war wohl so etwas, wie der Turning-Point in der Schwangerschaft. Am Ende des Tages hat mein Mann Wurst und Käse an seinen Bruder verschenkt, die Tomaten aus dem Garten gar nicht mehr ins Haus gebracht, sondern direkt verschenkt und nur noch ganz still und heimlich mal etwas stinkiges gegessen.
Er hat sich nach und nach in den Kran verwandelt. Baut eine Wickelkommode, kümmert sich um den Maxicosi, hängt schon jetzt im ganzen Haus Kindersicherungen in die Steckdosen und bringt mir nachts Gaviscon wenn ich kurz vorm Erbrechen durch Sodbrennen bin. Er hebt die Dinge auf, die mir auf den Boden fallen, weil ich es mit dem Bücken langsam aufgegeben habe und strahlt einen freudigen Optimismus bezüglich der Geburt und der Zeit danach aus, von dem ich nur träumen kann.
Optimismus statt Angst
Vielleicht ist es in dem Moment auch die Stärke des Mannes, dass er all die Schwangerschaftsbeschwerden nicht hat und dass er nicht durch den Geburtsschmerz durch muss. Mit meinem Mann ist da jemand ist, der sich ganz unvoreingenommen und mit viel weniger Angst auf das kleine Wesen freuen kann. Ohne Gedanken an Wochenbettblutungen, Stillprobleme oder Dammriss. Vor ein paar Tagen habe ich mal zu meinem Mann gesagt: „Für dich ist es ja auch leicht dich auf das Baby zu freuen, da liegt ja kaum was auf der negativ-Seite in der Wagschale.“ Vermutlich überschüttet die Natur die Frau deswegen mit Hormonen nach der Geburt, damit sie trotz all des Leids, dass das kleine Baby 9 Monate verursacht hat, Liebe empfinden kann. Zumindest hoffe ich darauf.