Wir machen einen großen Sprung von meiner Pubertät in meine frühen 20er-Jahre. Ich war gerade frisch nach Hamburg gezogen und musste mit den Menschen dort erst einmal zurechtkommen. Denn während Nievern ja fast schon Rheinland ist, ist Hamburg eben Norddeutschland.
Meine Freundin, die während ich in Hamburg lebte, in Greifswald wohnte, brachte die Norddeutsche-Mentalität mit einem Witz treffend auf den Punkt:
Sagt ein Norddeutscher zum anderen „Hast du was gesagt?“, antwortet der andere: „Ne … Das war gestern.“
Umgeben von unterkühlten Fischköpfen, für die Smalltalk eine Art Seuche zu sein scheint, versuchte ich mich mit meinem neuen Wohnort anzufreunden. Und was macht man als Dorfmensch, als erstes wenn man sich über die regionalen Begebenheiten informieren möchte? Man liest natürlich die kostenlose regionale Zeitung. In Nievern wird diese Zeitung liebevoll das „Blättchen“ genannt. Das Blättchen ist so wichtig, dass mein Mann und ich es kaum erwarten können es Mittwochs in Empfang zu nehmen. Schließlich wollen wir ja wissen, wo wieder ein Hase entlaufen ist, wo eine Parkbank demoliert wurde oder was die Kindergartenkinder dieses Jahr an Ostern basteln.
Enttäuscht von der „Hamburger-umsonst-Zeitung“
Voller Hoffnung, all diese überlebenswichtigen Informationen auch in der kostenlosen Hamburger Zeitung, fortan „Hamburger-umsonst-Zeitung“ genannt, zu finden, schlug ich die erste Seite auf. „Mann ersticht Ehefrau mit 7 Stichen.“ „Banküberfall in der Hauptstraße“, „Schlägerei vor der Disco“, „Wer hat diese Frau gesehen?“, eine Schlagzeile war schlimmer als die andere. Wie kann es denn sein, dass hier nur schlimme Dinge passieren? Ich blätterte verzweifelt weiter. Jede Nachricht war dramatischer, als alles was mir in meiner langen Laufbahn als Nieverner „Blättchenleserin“ je begegnet war.
Ich stürzte mich verzweifelt auf das Kreuzworträtsel. Immerhin, es gibt ein Kreuzworträtsel, dass hat die „Hamburger-umsonst-Zeitung“ dem Blättchen voraus. Doch irgendwas stimmte mit diesem Kreuzworträtsel nicht. Denn ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, das Bundesland mit 6 Buchstaben „Im Süden Deutschlands“ war nicht etwa Bayern, sondern Hessen. Hessen! Im Süden Deutschlands? Was denken die Leute in Norddeutschland denn wo Hessen liegt? Verzweifelt warf ich die Zeitung in die Ecke. Für mehr als zum Einrollen des Bioabfalls diente sie wirklich nicht. Aber das immerhin sehr gut. Denn mit ihrem großen Format ließen sich Kartoffelschalen dort um einiges leichter einwickeln als in das kleine DinA4-Plättchen aus Nievern….